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DOMINIK KITZINGER

DENTAGEN INFO 2021/04


Zahlen waren immer sein Ding. Aber längst ist er ein professioneller Netzwerker, einer der in Deutschland unterwegs ist, der nicht müde wird, die Genossenschaftsidee als modernes Geschäftsmodell anzubieten und er sieht im Faible der jungen Generation für Schwarmintelligenz die ganz große Zukunftschance der Genossenschaften. Er ist ein überzeugter Familienmensch, in einer vielköpfigen Unternehmerfamilie groß geworden, hat in den Schulferien Gürtel in Miniröcke gezogen und Knöpfe angenäht. Journalist Bernd Overwien sprach für DENTAGEN INFO mit Dominik Kitzinger (52), Bereichsleiter Prüfung Genossenschaften beim Genossenschaftsverband – Verband der Regionen, der als Prüfungs- und Beratungsverband, Bildungsträger und Interessenvertretung für rund 2.600 Mitgliedsgenossenschaften tätig ist.

Wenn Sie auf einer Grillparty gefragt werden, was machen Sie eigentlich beruflich? Was sagen Sie dann?

Das was ich bin: Bereichsleiter Prüfung Genossenschaften. Ich muss natürlich erklären, was ein Genossenschaftsverband ist. Dass wir eine Wirtschaftsprüfungsgesell­schaft sind und für unsere Mitgliedsgenossenschaften den gesetzlichen Auftrag haben, Prüfung, Betreuung, Beratung und Bildung durchzuführen und anzubieten.

Da tanzen Zahlen als abstrakte mathematische Objekte und fließen munter in Tabellen. Ist das Ihr beruflicher Alltag?

Natürlich ist die Wirtschaftsprüfung zahlengesteuert. Aber meine Aufgabe ist es, funktionierende Abteilungen und Teams in der überwiegenden Mehrheit unserer Bundesländer zu organisieren. Wenn ich morgens aufstehe, denke ich also nicht an Zahlen, sondern an die Herausforderungen einer guten Mitarbeiterführung.

Man wird ja nicht schwuppdiwupp ein Chef für 1500 Mitarbeiter in fast ganz Deutschland. Wo stecken Ihre beruflichen Wurzeln?

Ich komme aus der Bankenprüfung. Da sind nackte Zahlen, die Bilanzsummen und Betriebsergebnisse das Nonplusultra. Aber das Schöne an Genossenschaften ist, dass die Zahlen wichtig sind, aber es geht in erster Linie intensiv um die Mitgliederförderung. Es gilt zu überzeugen, wie man in einer Genossenschaft wirtschaftlich erfolgreich sein kann und wettbewerbsfähig bleibt.

Sind die Beobachtungen von Professor Dr. Theurl an der Uni Münster für Sie als Genossenschaftsverband wertvoll?

Oh ja. Sie sagte in einem Interview mit DENTAGEN INFO, dass sich beispielsweise die Vorstellungen von Lebensge­staltung bei jungen Studenten ändern. Da gehe es schon sehr früh um die finanziellen Risiken einer Selbstständigkeit. Eine Einzelpraxis sei bei den Medizinstudenten mit der Bereitschaft zur Selbstausbeutung verbunden. Das sei keine Perspektive. Junge Studierende hätten heute ein Faible für Schwarmintelligenz.

Ist das nicht eine Steilvorlage für die Genossenschaftsidee?

Ist es. Wir müssen auf diese Gene­ration offen zugehen. Aber das Problem ist, dass wir allein sind. Genossenschaftsverband oder eben die Genossenschaften werben sehr wohl, aber das ist zu wenig. Fragen Sie mal Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder die Kammern, ob sie ihre Klientel in dafür angebrachten Situationen auf Genossenschaften hinweisen? Dennoch: Der Genossenschaftsgedanke ist modern. Und die nachfolgenden Generationen machen uns da Hoffnung.



Haben Genossenschaften eigentlich keine Lobby in Berlin?

Fakt ist: Der Genossenschaftsgedanke steht in fast allen Parteiprogrammen, aber in der praktischen Politik geschieht da nichts. Seit mehreren Legislaturperioden. Wir müssen uns selbst helfen. Aber das geht ja leider auch den Zahntechnikern und anderen Handwerkergruppen nicht anders.

Wird die Politik, werden die Kammern, beispielsweise ärztliche Genossenschaften auf den Radar bekommen?

Ich glaube schon. Niedergelassene Ärzte sind heute vielfach mit sich verschärfenden Rahmenbedingungen konfrontiert. Dennoch wünschen sie sich eine wirtschaftlich erfolgreiche Praxis, in der sie ihre Autonomie wahren und qualitativ hochwertige Gesundheitsleistungen erbringen können. Mit der eingetragenen Genossen­schaft, also einer eG, steht eine Kooperationsform zur Verfügung, die wesentlich zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen beitragen kann. Spätestens mit der im Jahr 2006 vorgenommenen Novellierung des Genossenschaftsgesetzes eignet sich die genossenschaftliche Rechtsform ideal für Ärzte, die den Strukturveränderungen im ambulanten Bereich positiv begegnen wollen. Genossenschaftliche Unternehmen stehen ihren Mitgliedern seit jeher in schwierigen ökonomischen Situationen bei. DENTAGEN eG ist hierfür doch das beste Beispiel.

Wie kriegen wir jetzt die Kurve ins Persönliche? Was ist Heimat?

Oh, das fällt leicht. Ich bin geboren in Rees, der schönsten und ältesten Stadt am unteren Niederrhein. Das ist meine Heimat. Auch wenn durch Bombardements im 2. Weltkrieg viel Historisches zerstört worden ist, hat Rees seinen Charme als historische Stadt am Niederrhein behalten. Da ist die Welt noch in Ordnung.

Sind Sie in Rees auch zur Schule gegangen?

Ja, ich hatte das Glück, in ländlicher Umgebung auf einem Reiterhof auf­zuwachsen und später zu einem schönen Gymnasium zu gehen. Nach 135 Jahren Schulgeschichte des Hauses Aspel ist das Gymnasium später dann umgesiedelt. Aber es lohnt sich wirklich die Geschichte meiner Schule zu lesen. Oder mal kurz zu googlen.

Sie stammen aus einer Unternehmerfamilie. Haben Sie in dem Familienunternehmen selbst gearbeitet?

Nein, ich war ja der Jüngste. Aber als Kinder wurden wir in den Schulferien eingespannt. Gürtel in die produzierten Röcke ziehen. Natürlich auch Miniröcke, die 70er waren ja meine Kindheitsjahre. Oder Knöpfe annähen, wenn der Knopfautomat verrückt spielte.

Ihr beruflicher Werdegang begann wo?

Abitur, dann habe ich – wird niemanden überraschen – in der Volksbank eine Lehre gemacht, in Münster dann BWL studiert, Schwerpunkt Wirtschaftsprüfung und internationales Marketing-Management. Ich bin dann über einen guten Bekannten zum Genossenschaftsverband gekommen. Ehrlich gesagt, kannte ich den Verband überhaupt nicht. Aber die Arbeit hat mir von Beginn an Spaß gemacht, heute bin ich 21 Jahre beim Verband. Mit Hauptsitz in Düsseldorf, aber die Pandemie hat sehr viel verändert. Homeoffice ist jetzt angesagt.

Da kriegt man plötzlich auch mehr zu Hause mit, oder?

Wohl wahr. Ich habe mich zwar immer bemüht, bei allen beruflichen Reise­aktivitäten meinem Sohn noch gute Nacht zu sagen. Maximilian ist jetzt Zwölf, rauscht in die Pubertät, da muss man zu Hause schon die Ruhe bewahren und gucken, wie die Gattin das so macht. Und man denkt schon über die Sinnhaftigkeit eines Schulfachs Medienkompetenz nach.

Sind Sie ein politischer Mensch? Was treibt Sie um?

Es ist der Klimaschutz, wo ich nicht weiß, wie wir es anpacken sollen, was möglich ist in Deutschland? Und die Spaltung der Gesellschaft, die in der Pandemie so offen zu Tage tritt, macht mir schon große Sorgen. Wir stehen echt vor großen Herausforderungen.

Zeit für Hobbys?

Ich bin Jäger, aber ich sage immer, ich bin Jagdscheininhaber. Weil ich nicht so häufig aktiv bin. Die respektvolle Ausein­andersetzung mit der Natur ist mir wichtig. Ansonsten ist Tennis absolut meine Sache. Ich bin mit neun Jahren angefangen. Ich hatte Talent. Wirklich: Aber ich wollte in Rees bleiben. Und wenn der Körper im Alter nicht mehr so richtig mitmacht, steht man plötzlich auf dem Golfplatz.

Und wird Schatzmeister des Golfclubs…

… ja so ist das, wenn man meinen Beruf ausübt. Dann wird man freundlich gebeten. Ich habe dann zugesagt.

In Rees geboren, wohnen Sie heute in Bocholt. Also ein richtiger Nieder­rheiner. Welcher Fußballklub?

1.FC Köln. Ich mag Köln, gehe auch zum Karneval.

Sind Sie ein Jeck?

Ja, wenn ich dabei bin in Kölle, bin ich ein Jeck. Aber ansonsten gehe ich wohl eher nicht tagtäglich als rheinische Frohnatur durch.

Herr Kitzinger, herzlichen Dank für das Gespräch.

Quelle: DENTAGEN Info 2021/04