Ist die Corona-Krise der Treibstoff für eine noch rasantere Digitalisierung der Dentalwelt? Auf allen nur denkbaren Kommunikationsebenen? Über die Top-Drei-Fragen aus Dentallaboren und Zahnarztpraxen in der Krise, warum es leichter ist, einen Ikea-Schrank zusammenzubauen, als die 16 verschiedenen Antragsformulare für Soforthilfe in 16 Bundesländer zu verstehen, über die Angst, als Subventionsbetrüger dazustehen, über Kurzarbeit und warum gerade die Zahnärzte dabei zwischen allen Stühlen sitzen und wie es möglich ist, dass der „Effzeh“ ausgerechnet einen Kölner geradezu nervt, sprach Journalist Bernd Overwien für die DENTAGEN INFO mit dem Geschäftsführer der ETL ADVISA Johannes & Kollegen GmbH Steuerberatungsgesellschaft in Köln. Ein exzellenter Fachmann, seit vielen Jahren beratender Partner der DENTAGEN eG.
Herr Johannes, DENTAGEN hat aus uns allen bekannten Gründen den für Anfang Juli geplanten „Partnertreff 2020“ in Rösrath absagen müssen. Was musste Ihr Unternehmen aktuell aus dem Veranstaltungskalender streichen?
Kolleginnen und Kollegen aus über 800 Kanzleien in Deutschland und weitere 400 Teilnehmer aus ganz Europa treffen sich alle zwei Jahre in Berlin zu einem hochkarätig besetzen Fachdialog. Über 1000 Menschen, die die Abstandregeln einhalten – das ist selbst im riesigen Tagungshotel Estrel an der Sonnenallee nicht darstellbar.
Fortbildung also jetzt auch bei Ihnen als Webinar?
Ja, denkbar. Für Fortbildungen auch mit rund 30 Teilnehmern in Berlin bin ich mehrmals im Jahr morgens um Fünf im ersten Flieger gesessen. Zusammen mit Bundesbeamten und Offizieren der Bundeswehr. Und abends dann wieder zurück nach Köln. Wenn eine Übernachtung hinzukam, waren das anderthalb Tage. Heute haben wir zwei Stunden konzentriert Webinar. Und können die Inhalte zurückspulen.
Und es spart Reise- und Hotelkosten. Da freut sich doch der Vorstand oder?
(lacht) Sicher. Wir haben in den Webinaren bisher mehr Teilnehmer gehabt als im ganzen Jahr 2019 in den Präsenzveranstaltungen. Nein, selbst Vorstandssitzungen funktionieren gut im Intranet. Auf allen Ebenen macht sich die Erkenntnis breit: Zweimal im Jahr ein persönliches Treffen, der Rest funktioniert auch so. Und unser Firmengründer hier in Köln – inzwischen im Pensionsalter – hat mehr Zeit für das Sponsoring seines Klubs Viktoria.
Die spielen in der 3. Liga Fußball. Wie endet die Saison?
Bin absolut kein Fußball-Fachmann, aber wenn jetzt Schluss wäre, würde Viktoria zumindest nicht absteigen.
100 Kanzleien der ETL ADVISA haben sich wie Sie auf Medizinrecht und die gesamte Gesundheitswirtschaft spezialisiert. Viele Arztpraxen und Dentallabore gehören zu Ihrer Mandantschaft. Was waren in den letzten Wochen die drei am häufigsten gestellten Fragen?
Erstens: Kann ich Soforthilfe beantragen? Zweitens: Wie geht das mit der Kurzarbeit? Drittens: Was machen wir mit den Steuervorauszahlungen?
Und was war Ihr Rat?
Ohne ins letzte Detail gehen zu wollen und hier auch zu können. Generell gilt: Soforthilfe als Liquiditätssicherung in dieser Ausnahmesituation auf jeden Fall beantragen. Ob ein Unternehmen alle Kriterien erfüllt, stellt sich dann ja heraus. 16 Bundesländer mit 16 verschiedenen Kriterien für die Soforthilfe. Glauben Sie mir, das auseinander zu halten ist schlimmer als ein Ikea-Regal zusammenbauen zu müssen. Aber niemand ist ein Subventionsbetrüger, wenn er die Kriterien dann reißt. Also: beantragen, Geld für nachweisbare Betriebsausgaben nutzen oder aber an die Seite legen. Denn wenn man nach drei Monaten merkt, man hätte die Soforthilfe gar nicht gebraucht, dann eben zurückzahlen.
Moment mal, gibt es wirklich die Sorge, am Ende vielleicht als Subventionsbetrüger dazustehen?
Ich finde es bedauerlich, dass die zuständigen Behörden in NRW und auch die des Bundeswirtschaftsministers in Berlin jetzt schon beginnen, die Empfänger von Soforthilfe zu kriminalisieren. In ersten Stellenanzeigen werden bereits Leute für die Bezirksregierungen gesucht, um alle Soforthilfen nachzuprüfen.
Aber einige Fälle von Subventionsbetrug sind ja vermeintlich entdeckt worden?
Mag sein. Darüber werden dann Gerichte entscheiden. Bisher bekannt sind Fälle, die sich durch ein Höchstmaß an krimineller Energie auszeichnen. Das kann ich in der Mandantschaft nicht erkennen. Von Zahnarztpraxen und Dentallaboren habe ich diesbezüglich noch überhaupt nichts gehört. Und da verstößt auch niemand bewusst gegen Kriterien.
Kurzarbeit, das andere Mega-Thema, ist ein Instrument aus der Werkzeugkiste der Stahlindustrie in den 70er Krisenjahren. Autozulieferer wissen seit Jahrzehnten wie das geht. Aber Zahnärzte und Laborinhaber?
Natürlich gab und gibt es enormen Beratungsbedarf. Beginnend bei den Antragsformularen. Letztendlich hatten es die Dentallabore als Handwerksbetriebe da ein wenig einfacher, mit der Agentur für Arbeit klar zu kommen. Alle Labore, die wir betreuen, sind in Kurzarbeit. Einige Mandanten wollen aber schon im Juni wieder heraus aus der Kurzarbeit. Das wäre eine gute Entwicklung.
Können Zahnarztpraxen überhaupt Kurzarbeit anmelden?
Noch immer fremdelt die Agentur für Arbeit mit den Freiberuflern. Es gab ja erst die Weisung für die Bundesagentur für Arbeit, es gäbe für Zahnarztpraxen keinen Anspruch auf Kurzarbeit, weil diese ja unter dem Rettungsschirm stünden. Das galt für die Agentur als eine Art Betriebsschließungsversicherung. Aber wenn Zahnärzte, respektive die Zahnärztinnen, dann tatsächlich eine Versicherung haben, die ihnen eine Schließung durch Pandemie ausdrücklich absichert, dann gibt es angeblich keinen Anspruch auf Kurzarbeit. Umgekehrt sagt die Versicherung dem Arbeitgeber in einer Zahnarztpraxis, er hätte ja Kurzarbeit beantragen können, wir zahlen nicht für das Personal. Da sitzt man plötzlich zwischen allen Stühlen. Und wenn man sich den Rettungsschirm ansieht, der für Zahnärzte kein Rettungsschirm ist, sondern nur eine Art Darlehen, dann ist das ein Rettungsschirmchen. Wer genau liest: Kurzarbeit ist vorrangig bei der Bemessung des Rettungsschirmes. Wir haben allen Mandanten empfohlen: Zeige Kurzarbeit an und arbeite auch kurz. Denn die KVen könnten später kommen und sagen: Sie hätten ja Kurzarbeit anzeigen können. Und jetzt kam ja auch die Weisung, Kurzarbeit in Praxen ist möglich. Verwirrende Entwicklungen.
Was glauben Sie: ist Land in Sicht für einen Normalbetrieb in Praxen und damit verbunden eine Bedarfssteigerung an Zahnersatz?
Im Moment mit Blick auf den Juni glaube ich das schon. Ich selbst habe ein Inlay verschoben aus Angst vor einer erhöhten Ansteckungsgefahr. Aber warum soll es angesichts aller bekannten Sicherheitsmaßnahmen in einer Zahnarztpraxis gefährlicher sein als in einer normalen Arztpraxis? Niemand will doch seinen Patienten schaden.
Quelle: DENTAGEN Info 2020/02