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Interview: Jens Grill

DENTAGEN Info 2018/02

„Gegenseitiger Respekt ist der Kitt, der ein Unternehmen zusammenhält und erfolgreich macht.“


Jens Grill, Geschäftsführer und Manager Director Betriebswirt (BA) der SHERA Werkstoff-Technologie GmbH & Co. KG, führt ein erfolgreiches Unternehmen in Lemförde in Niedersachsen. Als Familienunternehmen mit einer sehr speziellen „DNA“. Über Mitarbeiter, die Gespräche auf Augenhöhe schätzen, über eine bemerkenswerte Unternehmensgeschichte, die mit einer folgenreichen Pleite begann, über einen bedeutsamen Bindestrich und über das Lebenswerte, ein überzeugter Familienmensch zu sein, sprach Journalist Bernd Overwien für DENTAGEN INFO mit dem heute 49-jährigen Dental-Unternehmer.

Herr Grill, führen Sie gern Ihr Unternehmen?

Ja. In der Tat, das mache ich gern. Natürlich rutscht auch mir mal der Satz raus, „ich muss zur Arbeit“. Aber die weit überwiegende Zeit verbringe ich mit viel Freude im Unternehmen. Es ist doch so: Motivation und Spaß bei der Arbeit zu haben sind essentiell, um im Job erfolgreich zu sein. Das gilt gleichermaßen für unsere Mitarbeiter. Es muss in einem Familien­unternehmen eine Herzensangelegenheit sein, dass die Mitarbeiter gern zu ihrem Arbeitsplatz kommen. Und das ist bei uns so, weil es uns wichtig ist.

Fühlen Menschen in einem ländlichen Raum – wie an Ihrem Unternehmens­standort Lemförde – eine besondere Verbundenheit zu „ihrem“ Unternehmen?

Das vermag ich definitiv so nicht zu beantworten. Fakt ist, dass viele Mitarbeiter schon seit der Gründungsphase von Shera dabei sind. Wir haben keine hohe Fluktuation. Obwohl es auch im ländlichen Raum Unternehmen gibt, die andere Gehäl­ter zahlen als wir es können. Da müssen wir schon mehr anbieten als nur die Entlohnung.

Nur eine Zwischenfrage: Sie haben 80 Mitarbeiter und dennoch keinen Betriebsrat. Wie ist das zu erklären?

Eigentlich müssen Sie das unsere Mitarbeiterschaft fragen. Wir haben eine flache Hierarchie im Unternehmen, wir führen Gespräche mit unseren Mitarbei­tern auf Augenhöhe. Der gegenseitige Respekt ist der Kitt der unser Unternehmen zusammenhält. Der uns fit für die Heraus­forderungen der Zukunft macht. Im Übrigen: Das sollte in unserer Gesellschaft auch so sein. Denn eine demokratische Gesellschaft fußt auf dem Grundgedanken, dass wir gegenseitigen Respekt bekunden. Ich habe größte Sorge, dass wir gerade eine gegenteilige Entwicklung erleben. Sie nicht?

Ja, ich glaube, viele sind in Sorge. Aber noch einmal zurück zu dem, was Sie Ihren Mitarbeitern als „Mehr“ anbieten. Was tun Sie da?

Im vergangenen Jahr haben wir betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt. Wir haben eine Trainerin, die zweimal die Woche kommt, um verschiedenen Gruppen aus der Belegschaft ein Viertelstündchen oder 20 Minuten in Bewegung zu bringen. Etwas für den Rücken zu tun. Wir sitzen ja alle viel zu viel. Wir gehören zudem dem Hansefit-Verbund an.

Was ist das?

Hansefit bietet für Unternehmen bundesweit Gesundheitsprogramme an. Wir sponsern alle Fitnessaktivitäten unserer Mitarbeiter bei diesem Partner zu 50 Prozent. Betriebliche Gesundheitsförderung zahlt sich für alle aus. Für das Unternehmen, für die Mitarbeiter.

Was tut Shera darüber hinaus?

Shera fördert die private Vorsorge seiner Mitarbeiter, weil ich der Meinung bin, dass die Rente eines Tages für den Standardverdiener nicht mehr reichen wird. Arbeitnehmer sollen nach ihrem Berufsleben doch das berechtigte Gefühl haben, eine Lebensleistung erbracht zu haben. Das ist uns wichtig.

Shera ist ein prosperierendes Unternehmen, weiter auf Expansions­kurs. Wie sehr stecken die Wurzeln des Erfolgs in der bemerkenswerten Historie Ihres Familienunternehmens?


Ganz tief. Mein leider jüngst verstorbener Vater war Schwabe. Ein Kaufmann, der in Diepholz in Niedersachsen gemeinsam mit meiner Mutter ein Unter­nehmen mit 160 Mitarbeitern gründete. Meine Eltern haben normale Kollektionen für die großen Kataloge der damaligen Zeit gemacht. Otto, Bauer, Quelle und vier, fünf weitere Kunden. Das war vor gut 45 Jahren. Und von einem auf den anderen Tag hieß es: Herr Grill, war nett mit Ihnen, aber ab nächstes Jahr lassen wir in Südostasien produzieren. Das war das Aus für ein Einzelunternehmen mit nur wenigen großen Kunden. Ehrlich gesagt: Meine Eltern haben damals eine komplette Pleite mit allen Auswirkungen hingelegt. Ich war drei Jahre alt.

Wie ging das Leben weiter?

Meine Mutter hat das insolvente Unternehmen auf ganz kleiner, privater Ebene weitergeführt. Mein Vater machte ein bisschen Unternehmensberatung.

Harte Zeiten. Aber wie kommt ein schwäbischer Textiler dann in die Dentalwelt?

Ein Freund, der ein Dentallabor führte, brauchte dringend betriebswirtschaftlichen Rat. Sehen Sie, das war schon damals so … (lacht). Er bot meinem Vater eine Vertretung für Wachsfertigteile an. Mein Vater reiste durch die Städte, lernte immer mehr Dentallabore kennen. Dann kam ein Freund hinzu, der Professor an der Hoch­schule Niederrhein in Krefeld war, der sich mit Werkstoffentwicklungen beschäftigte und aus Lemförde stammte. Ursprünglich war beabsichtigt, ein kleines Handelsunter­nehmen zu gründen. Einkaufen, umverpacken, weiterverkaufen. Aber da hat man keinen Zugriff auf die Produktqualität. Kurzum: Selber produzieren. Im Keller. Ein umweltfreundlicher Gipslöser war die erste Entwicklung. Dann kamen ein Ultraschall­reiniger und Produkte aus dem Bereich der Einbettmassen hinzu. Im direkten Vertrieb. Das heißt: mit dem VW-Bulli übers Land. Möglichst viele Kunden haben. Das war die Lehre aus der Textil­pleite. Wir haben heute rund 8.000 Kunden.

Wie ist es überhaupt zu einem Unternehmen mit dem Namen Shera gekommen?

Ob Sie es glauben oder nicht: Mein Vater wollte einen international klingenden Namen, deshalb gibt es die Shera ohne C. Es ging darum, einen Namen zu haben, den man schützen lassen kann. Und an den sich Produktnamen anhängen lassen. Sherafina 2000, Shera Hard-Rock usw., es musste also auf einem Vokal enden. Bei einer Flasche Trollinger wurde Buchstaben­würfeln gemacht. Mit 25 möglichen Namen auf dem Zettel ging es dann zum Patentamt nach München. Dort hat sich mein Vater eine Woche eingeschlossen, hat recherchiert, welche Namen möglich sind. Und einer ist übrig geblieben: Shera!

Stimmt es, dass ein Bindestrich die Namensidee letztendlich gerettet hat?

Ja. Stimmt. Mein Vater musste noch zwei Prozesse führen. Auch gegen Procter & Gamble, eines der weltgrößten Unternehmen. Die hatten eine Zahnpasta mit ähnlichem Namen. Aber weil meine Eltern ja nicht im Bereich der Konsumgüter unterwegs sein wollten, erledigte sich das Problem. Und gegen Sherafina hatte der Mineralöl­konzern Fina etwas. Wir hatten aber Shera-Fina … der Bindestrich hat uns quasi das Leben gerettet. Später haben wir Shera und Fina längst zusammengeführt. Aber damals war das wichtig. Die beiden Konzerne waren und sind eine riesige Haus­nummer. Heute bin ich entspannter. Wir haben uns auf den Weg gemacht!



Sie sind ein Familienmensch mit viel Empathie. Der Eindruck täuscht nicht oder?

Absolut nicht. Ich bin geprägt durch die Familie. Mich macht es betroffen, dass mein Vater aus gesundheitlichen Gründen die Erfolgsstory Shera nicht mehr wahrnehmen konnte. Er hatte in den letzten Jahren ja auch Erfolg, aber die Kriegsgeneration konnte das einfach nicht so genießen, wie das Unternehmen erwachsen wurde und sich jetzt so toll entwickelt hat.

Hat ein Unternehmenschef, der voll auf Innovationen in Produktion und Vertrieb setzt, Zeit für die Familie?

Die nehme ich mir. Das ist mir so wichtig. Meine Ehefrau, unsere zwei Kinder – das macht das Leben lebenswert. Hört sich pathetisch an, ist aber so. Über Jahre hinweg war ich Fußballtrainer der Mannschaften, in denen mein heute 14-jähriger Sohn gespielt hat. In einem ganz kleinen Verein. Meine Tochter ist mit 11 Jahren ein taffes Mädchen und …

… jetzt kommen Sie in ein Alter, in dem sie überzeugt sind, dass sich Ihre Eltern kolossal verändert haben. Schon bemerkt?

(lacht) … das ist wirklich gut! Ja. die digitalen Smartphone-Kids. Wir sehen das relativ entspannt. Es gilt aufzupassen, dass immer ein Ausgleich da ist. Ob im Sport oder in anderen Freizeitbereichen. Die schulischen Noten müssen passen. Und dann müssen sie ihre eigenen Erfahrungen machen. Wie wir und Generationen vor uns.

Herr Grill, wie oft mussten Sie sich angesichts Ihres Namens schon fragen lassen, ob Sie Holzkohle oder Gas vorziehen?

Gas. Ich bin wirklich ein totaler Griller. Sogar an Silvester habe ich schon aufgelegt. Und einmal im Jahr grille ich für die ganze Belegschaft. Tja, da schauen Sie nicht schlecht oder?

Fußballfan. Da stellt sich immer die Frage nach dem Lieblingsverein. Werder?

HA-ESS-VAU.

(Autsch).

Herr Grill, herzlichen Dank für das Gespräch.

Quelle: DENTAGEN Info 2018/02