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Interview: Bernd-Thomas Hohmann

DENTAGEN Info 2017/03

Er ist der personifizierte Generationswechsel an der Spitze der NWD Gruppe. Seit dem 1. Januar 2017 ist der gebürtige Norddeutsche, dessen familiäre Wurzeln tief in Ostpreußen liegen, Vorsitzender der Geschäfts­führung und Nachfolger der legendären Unternehmensführer Willi Wöll und des 2015 verstorbenen Volker Landes. Herr Wöll übernahm im Januar den Vorsitz des Beirats. Nach der Übernahme der Leitung der Firmengruppe hat Bernd-Thomas Hohmann die DNA von NWD schnell verinnerlicht: “Unser Handeln bestimmt, wer wir sind. Unsere Werte bestimmen unser Handeln.“ Über seinen differen­zierten Blick auf die Digitalisierung und die Feminisierung der Dentalwelt, über seinen persönlichen Führungsstil und warum er in den Keller geht, wenn es im Juli auf der Zugspitze schneit, sprach Medizinjournalist Bernd Overwien für „DENTAGEN INFO“ mit dem Unternehmensentwickler am NWD-Firmensitz in Münster (Westfalen).

Herr Hohmann, die Dentalwelt scheint nur noch digital zu ticken. Spätestens seit der IDS im Frühjahr haben viele Zahn­mediziner und Zahntechniker weiche Knie. Sie haben Angst den Zug der Zeit zu verpassen. Berechtigt?

Nein. Ich glaube, dass wir in der Zahnmedizin und auch in der Zahntechnik eher von einer Evolution als von einer Revo­lution ausgehen sollten. Wir haben in Deutschland rund 65.000 Zahnmediziner, die im niedergelassenen Bereich in etwa 45.000 Zahnarztpraxen zusammenarbeiten. Wir haben noch um die 6.500 gewerbliche Dentallabore, zuzüglich der Praxislabore. Evolution deshalb, weil der Zahnmediziner in seiner Ausbildungszeit ja bestimmte Prozeduren gelernt hat und diese in seiner Freiberuflichkeit dann auch ausübt. Sicher, viele haben sich fortgebildet. Aber ich merke immer wieder in Gesprächen mit Zahnmedizinern und auch Laborinhabern, wie sehr sich Routinen eingestellt und bewährt haben. Niemand in Praxis und Labor hat etwas gegen ein neues, innovatives Pro­dukt. Aber wenn die bisherigen Ergebnisse gut und die Patienten zufrieden sind – warum soll der Zahnarzt oder der Laborinhaber Knall auf Fall etwas ändern?

Ist die viel zitierte „Dentalfamilie“ also eine erzkonservative?

Das glaube ich wiederum nicht. Ich will noch nicht einmal sagen, dass das eine Verweigerung gegenüber neuen Entwicklungen ist. Sondern: Die gelernte Prozedur funktioniert gut, garantiert einen vermeintlich reibungslosen Ablauf. Digi­talisierung bedeutet aber nicht, dass ich das eine Gerät durch das andere ersetze, sondern dass ich damit maßgeblich die Arbeitsabläufe einer Praxis oder eines Labors optimiere, was auch die Zusammen­arbeit zwischen Zahnmedizinern und gewerblichem Labor verbessert. Aber das ist eben mit Investitionen verbunden, die macht keiner mal eben so. Auch wenn die Industrie beispielsweise ein viel höheres Potenzial an dreidimensionaler Röntgen­technologie anbietet. Nebenbei gesagt: Wenn alle auf dreidimensionales Röntgen umsteigen würden, dann würde sich unser Geschäft in diesem Bereich innerhalb von fünf Jahren verdoppeln. Ernsthaft ist damit nicht zu rechnen.

Aber ist nicht die Digitalisierung ein großer Treiber für Veränderung?

Ja. Das ist Fakt. Jeder Betrieb muss sich natürlich die Frage stellen, wie gehe ich damit um. Es gibt verschiedene Möglichkei­ten: Man geht mit und nutzt die neue Technik, was aber eben mit Investitionsbereitschaft und finanziellen Ressourcen zu tun hat. Nehmen wir die kleineren und mittleren Labore. DENTAGEN ist da ein Zukunftsmodell. Ja, wenn ich mir Gedanken mache, wie ich das hinkriege, dann muss es darum gehen, wie man das „poolen“ kann. Das kann eine Chance für die Mitglieder der Genossenschaft sein: Ich will mich der Entwicklung nicht entgegenstellen, kann es allein nicht stemmen, also tue ich mich mit anderen Genossen unter einem Dach zusammen. Das ist sowohl für den kleineren als auch den mittelständischen Betrieb eine Chance, dort im Wirtschafts­verbund Mitglied zu sein.

DENTAGEN würde sich sicherlich wünschen, dass mehr der rund 900 Mit­glieder zu 100 % über den Zentral­einkauf gehen. Täuscht der Eindruck, oder verstärkt die Industrie aktuell ihre individuelle Preisgestaltung im direkten Dialog mit Einzelbetrieben?

Nun, die zahnmedizinische Technik ist traditionell ein Kunde der Industrie. Das ergibt sich ja einfach aus dem Bezug von Edelmetallen, deshalb gibt es seit Jahrzehnten einen direkten Dialog in vielen Bereichen. Nicht in allen. Da gibt es einen Unterschied zum zahnmedizinischen Fach­handel und zum Arzt, der im Einrichtungs­bereich sicher zu 90 % beim Fachhandel einkauft und zu zwei Dritteln auch im Bereich der Verbrauchsmaterialien. Das Labor war immer im Gespräch mit der Industrie. Ich vermag nicht zu sagen, ob sich da groß was verschoben hat. Aber nach mehr als einem Jahrzehnt Zusammenarbeit mit der DENTAGEN kann ich unsererseits keine Verschiebungen erkennen.

Wie sehr ist das Thema „Femini­sierung“ der Zahnmedizin in Ihrem Unternehmen präsent?

Für mich als Unternehmensentwickler ist das Thema schon längst durch. Ich habe das Gefühl, es ist eine Thematik, an der sich eher noch die Medien abarbeiten. Jetzt sind es 45 %, in drei Jahren 50 % und aufgrund der Tatsache, dass 90 % der Erstsemester Frauen sind, kann man die Uhr danach stellen, wann zwei Drittel und mehr Zahnärztinnen in Deutschland tätig sind. Ein kompletter Wandel. Wenn ich heute um 15 Uhr das Büro verlasse, um mich zahnmedizinisch versorgen zu lassen, sage ich immer noch automatisch, ich gehe zum Zahnarzt. Bei dem Berufsbild denkt man ja eben an den Zahnarzt. Und nicht an die Zahnärztin. Das wird sich ändern.

Weiblich und jung. Bringt das frischen Wind in die Dentalwelt?

Das kann man wohl sagen. Das sehen wir doch heute schon. Wir kommen in die Praxis und die sieht auch schon anders aus. Andere Farben, hier und da spielt die Haptik eine Rolle, weil die Geräte seit Generationen auf die Männerhand ausgerichtet sind. Die Industrie bietet jetzt filigranere Instrumente an. Die Farben der Polster spielen eine Rolle, die Auflagen für Behandlungsstühle. Ein ganz anderes Bild. Aber wir haben uns ja lange darauf vorbereiten können. Ich habe noch von keinem Außendienstmitarbeiter gehört, dass er an seine verkäuferischen Grenzen kommt, wenn er mit Zahnärztinnen verhandelt.

Frauen und Technik. Bremst dieses Rollenklischee den technischen Wandel in der dentalen Arbeitswelt?

Das wäre ein ziemlicher Irrtum. Die Zahnmedizinerinnen der Generation Y sind auch mit Amazon, Ebay, Facebook, Google & Co. groß geworden. Das ist für sie „Daily Business“. Also wenn jetzt jemand eine Zahn­arztpraxis übernimmt oder sich neu niederlässt, dann werden die Abläufe dort digital sein. Ob Frau oder Mann. Davon gehen wir aus.

Wie würden Sie als Chef von Mitarbeitern Ihren persönlichen Führungsstil beschreiben?

Situativ. Ich bin kein Polterer. Die Mitarbeiter merken, wenn mir etwas wichtig ist. Und was dann zu tun ist.

Also, keiner springt zur Seite, wenn ich morgens komme (lacht). Wenn ich weiß, dass eine Mitarbeiterin im Empfang gerade einen Englischkurs macht, dann parliere ich Englisch mit ihr. Wissen Sie, was meine Philosophie ist? Motivierte Mitarbeiter kosten nicht mehr als demotivierte Mitar­beiter. Deshalb habe ich lieber motivierte Mitarbeiter. Wenn das gelingt, hat man die halbe Miete eingefahren. Alle wissen: NWD muss gut aufgestellt sein, immerhin feiern wir bald das 90-jährige. Mein Job ist es, immer über die nächste Entwicklungs­stufe nachzudenken. Da hilft zuweilen auch zuhören. Mitarbeiter, insbesondere im Verkauf wissen auch häufig schon vorher, was die Geschäftsführung demnächst entscheidet.

Freizeit. Müssen Sie das Wort buchstabieren, um sich daran zu erinnern?

In der Tat, bei NWD könnte man rund um die Uhr arbeiten. Und mein Beruf ist mein größtes Hobby. Das ist keine Floskel. Meine Lebenspartnerin, mit der ich jetzt in Münster wohne, erinnert mich aber regel­mäßig an den Wert von Freizeit. Und da bin ich ein leidenschaftlicher Skifahrer. Als es Ende Juli auf der Zugspitze geschneit hat, bin ich in den Keller gegangen und habe geschaut, ob mit den Brettern alles in Ordnung ist. Eine Woche im Schnee ist für mich so erholsam wie für andere drei Wochen am Strand.

Diese Frage darf nie fehlen. Sind Sie ein Fußballfan?

Kein ausgewiesener Fußballexperte. Ich war in meiner Jugendzeit Zehn­kämpfer. Aber natürlich gehe ich hin und wieder ins Stadion, genieße vor allem die Atmosphäre.

Präferenzen?

Natürlich Borussia Dortmund. Da geht was ab. Unglaubliche Fankultur. Wie auch beim FC St. Pauli. Da stehen die Fans auch bei Niederlagen voll hinter ihrem Klub. Das ist bei anderen Fußballkonzernen – Namen möchte ich mit Rücksicht auf anders orientierte Kollegen nicht nennen (lacht) – meist nicht so.

Herr Hohmann, herzlichen Dank für das Gespräch.

Quelle: DENTAGEN Info 2017/03