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(Un-)zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem

Allgemein

Mit dem deutschen Gesundheitssystem ist beinahe jede beziehungsweise jeder Dritte (30 Prozent) aktuell unzufrieden. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Befragung, die das Forschungsinstitut Forsa im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) erhoben hat. Grundlage war die Frage, wie Menschen in Deutschland das Gesundheitssystem wahrnehmen.

Danach hat sich die Unzufriedenheit seit 2021 verdreifacht: Mit dem Gesundheitswesen unzufrieden zu sein, gaben damals nur zehn Prozent der Befragten an. Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, erklärt dazu: „Das ist eine Trendwende. In unseren Befragungen ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem bis 2021 kontinuierlich gewachsen, jetzt kehrt sich der Trend um. Das ist leider keine Überraschung: Seit Jahren steigt die finanzielle Belastung der Versicherten, gleichzeitig klagen Menschen vermehrt über lange Wartezeiten für Arzttermine. Viele haben gerade das Gefühl, dass dieses System, für das sie immer mehr zahlen, immer schlechter funktioniert.“ Nicht ignorieren dürfe die Politik diese Warnsignale. Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Schroeder erklärt, warum das Gesundheitssystem für die Politik hohe Priorität haben muss: „Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist eine tragende Säule unseres Sozialstaats und damit enorm wichtig für das Vertrauen in die Demokratie. Wer Missstände im Gesundheitswesen zu lange ignoriert, spielt dem Populismus in die Hände.“

Wartezeiten für Facharzt-Termine frustrieren 62 Prozent der Befragten

38 Prozent der Befragten sind mittlerweile mit dem Facharztangebot weniger zufrieden oder unzufrieden, 2017 waren es noch 27 Prozent. Grund dafür könnten die langen Wartezeiten auf Facharzttermine sein, mit denen 62 Prozent unzufrieden sind, 2017 waren es 50 Prozent. Die TK fordert eine digitale Ersteinschätzung des medizinischen Bedarfs – noch bevor ein Arzttermin überhaupt vereinbart wird –, damit Patientinnen und Patienten schneller Termine bekommen. Diese Ersteinschätzung kann gesundheitliche Probleme einordnen und geeignete Behandlungspfade, wie z. B. eine digitale Selbstversorgung oder Termine in einer Haus- oder Facharztpraxis, empfehlen. Über eine digitale Terminplattform sollen bei dringendem Behandlungsbedarf Termine schnell vergeben werden. „Wir müssen Patientinnen und Patienten mehr Orientierung im Gesundheitssystem bieten, damit sie zu den Arztpraxen kommen, in denen sie gut versorgt werden können. Eine zielgenauere Versorgung entlastet auch die Ärztinnen und Ärzte“, erklärt der TK-Chef.

Mit Beitragssteigerungen rechnen fast alle Befragten

Stellenweise Reformen im Gesundheitssystem befürworten 73 Prozent, umfassenden Reformbedarf sehen 21 Prozent. „Die Politik hat zu viele drängende Fragen ausgesessen, darunter die finanzielle Schieflage in der Kranken- und Pflegeversicherung, den Reformbedarf in der Notfallversorgung oder die Kostenexplosion bei Arzneimitteln“, erläutert Baas. Politikwissenschaftler Schroeder meint dazu: „Für eine stabile Demokratie ist es enorm wichtig, dass alle Menschen gleichermaßen an einer guten Versorgung teilhaben können. Gleichzeitig müssen die Kosten für sie gut tragbar sein. Die stark steigenden Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sind daher Grund zur Sorge.“ Die große Mehrheit der Befragten (94 Prozent!) rechnet damit, dass die Beiträge weiterhin steigen. TK-Chef Baas: „Die neue Bundesregierung muss die Beitragsspirale stoppen. Die Beiträge sind auf über 17 Prozent gestiegen und Ende des Jahrzehnts werden sie bei 20 Prozent sein, wenn nichts passiert.” Die TK fordert ein Sofortprogramm: Höhere Herstellerrabatte auf neue Arzneimittel könnten zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Wenn der Bund seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Beiträge für Empfängerinnen und Empfänger des Bürgergeldes nachkomme, wäre das eine Entlastung von über neun Milliarden Euro jährlich.

Menschen offen für Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Befragten sehen aber nicht nur Reformbedarf im Gesundheitswesen, sondern sind auch bereit, sich auf Neues einzulassen. 89 Prozent finden es sehr gut oder gut, wenn Pflegekräfte oder medizinisches Fachpersonal bestimmte Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten übernehmen. Die geplante Krankenhausreform stößt ebenfalls auf Zustimmung. 72 Prozent der Befragten befürworten die Spezialisierung der Kliniklandschaft und die Digitalisierung wird als Chance gesehen. Bereits 81 Prozent der Befragten buchen Arzttermine online oder möchten dies zukünftig in Anspruch nehmen. 77 Prozent würden vor einem Arzttermin ihre Krankengeschichte digital in einem Anamnesebogen erfassen. Die elektronischen Patientenakte (ePA) möchten 75 Prozent nutzen. Eine Videosprechstunde haben bereits 68 Prozent genutzt oder möchten dies tun. Dr. Jens Baas erläutert: „Dass die Menschen für Neues aufgeschlossen sind, ist eine wichtige Grundlage, um unser Gesundheitssystem voranzubringen. Doch auch hier ist die Politik gefordert. Sie muss dafür sorgen, dass Versicherte digitale Möglichkeiten so komfortabel wie möglich nutzen können. Zum Beispiel indem Anmeldeverfahren für digitale Services wie E-Rezept oder elektronische Patientenakte vereinfacht werden. Das Video-Ident-Verfahren muss auch im Gesundheitswesen genutzt werden können, wie es bei der Kontoeröffnung bei Banken Standard ist.”