Die Bundesregierung stellte Anfang des Jahres den Entwurf für ein modernes Kartellrecht vor. Nach mehr als zwei Jahren Diskussionen, Studien und Expertengruppen wurden die neuen Ansätze nun der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Fokus der Wettbewerbshüter steht dabei die Digitalwirtschaft – und deren Auswirkungen gerade auf den Mittelstand.
Brüssel, 17. Februar 2020 – Die mit der Digitalisierung einhergehende Änderung wirtschaftlicher Machtverhältnisse stellt die Wettbewerbspolitik vor große Herausforderungen: Daten haben eine immer stärkere Bedeutung als Wertschöpfungsfaktor. In der digitalen Wirtschaft haben es daher gerade große Plattformen leichter, ihre Monopolstellung auszubauen. So in etwa beschreibt der Gesetzgeber die Ausgangslage, deren negativen Auswirkungen durch die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – oder GWB-Digitalisierungsgesetz – begegnet werden soll.
Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDs ist die Lage weitaus kritischer zu beurteilen: Gegenwärtig ist das Wettbewerbsrecht nicht in der Lage, die Asymmetrien im Online-Handel aufzubrechen und die Marktmacht der großen Plattformen zu kontrollieren. Leidtragende sind deshalb vor allem Mittelständler.
Wenn sie über die großen Plattformen als Nutzer Handel treiben, sind sie durch den vom Plattformbetreiber verwehrten Zugang zu den von der Plattform gesammelten Daten benachteiligt. Wenn Kooperationen von Mittelständlern hingegen selbst Plattformen aufbauen und Daten innerhalb ihrer Mitgliedsunternehmen teilen wollen, stehen dem neben der Dominanz der großen Plattformen auch wettbewerbsrechtliche Vorbehalte entgegen.
Wird auf EU-Ebene noch innig über die künftige Ausgestaltung des Wettbewerbsrechts diskutiert, prescht Deutschland nunmehr vor, wenn es um faire Wettbewerbsbedingungen in der Digitalwirtschaft geht. Doch hält der Vorschlag, was er verspricht?
Wichtige Klarstellungen für die Daten-Ökonomie
Als einen wichtigen neuen Ansatz verankert der Vorschlag den Grundsatz, dass Daten Marktmacht darstellen können. Abseits von Marktanteilen – und deren schwieriger Berechnung in der Digitalwirtschaft – soll die Daten-Inhaberschaft zukünftig einen relevanten Machtfaktor darstellen. Der Entwurf sieht zudem vor, dass Wettbewerbsbeschränkungen auch unterhalb der Schwelle der Marktmacht stattfinden können. So soll die Verweigerung des Zugangs zu Daten unzulässig sein, wenn andere Unternehmen auf diesen Datenzugang angewiesen sind.
Schnellere Reaktion der Behörden und mehr Rechtssicherheit
Nicht allein der Zugang zu Daten wird für viele Unternehmen dabei immer relevanter; ein schneller Zugang zu Daten ist ebenso wichtig, um auf neue Trends entsprechend reagieren zu können. Der Gesetzgeber reagiert auf diese Notwendigkeit. So soll das Bundeskartellamt – als oberster deutscher Wettbewerbshüter – zukünftig einfacher einstweilige Maßnahmen erlassen können. Dies insbesondere mit Blick auf die Herausgabe von Datensätzen. Auch wenn bereits heute – zumindest theoretisch – die Verhinderung des Datenzugangs wettbewerbsbeschränkend und damit unzulässig ist, schrecken viele Unternehmen oftmals aufgrund erfahrungsgemäß langer Verfahren und einem ungewissem Ausgang vor einer kartellrechtlichen Geltendmachung zurück.
Mehr Rechtssicherheit bei Daten-Kooperationen
Innerhalb mittelständischer Kooperationen ist bislang unklar, inwieweit und vor allem in welchem Umfang Daten untereinander getauscht und gemeinsam verwendet werden können. Die Erfahrung zeigt, dass viele Verbundgruppen davor zurückschrecken, das gesamte Potential gemeinsamer Datennutzung voll auszuschöpfen. Im Ergebnis hinkt der Mittelstand weiter hinter großen Online-Plattformen zurück.
Um Unternehmen gerade bei dem Austausch von Daten mehr Rechtssicherheit zu vermitteln, soll das Bundeskartellamt zukünftig vorab befragt werden können, ob die geplanten Daten-Kooperationen tatsächlich vor dem Kartellrecht standhalten. Der Gesetzesentwurf sieht dafür einen verbindlichen Auskunftsanspruch vor. Unternehmen können so prüfen lassen, ob ihre geplanten Kooperationen mit dem Wettbewerbsrecht konform gehen.
Fazit
Der vorgestellte Gesetzesvorschlag stellt wichtige Weichen im Bereich der Digitalwirtschaft. Insbesondere Mittelständlern werden Instrumente an die Hand gegeben, mit denen zukünftig ein Level Playing Field gegenüber großen Plattformen geschaffen werden soll. Der Vorschlag bewegt sich hingegen auf bekannten Terrain: Vermeintliche Ansprüche müssen weiterhin in einem kartellrechtlichen Verfahren geltend gemacht werden. Ein Anspruch auf automatischen Datenzugang ist weiterhin nicht möglich.
DER MITTELSTANDSVERBUND hat sich als Spitzenverband des kooperierenden Mittelstands an dieser Stelle mehr Mut vom deutschen Gesetzgeber erhofft: Langwierige Verfahren – auch mit der Möglichkeit des einstweiligen Rechtschutzes – werden weiterhin einen effektiven Wettbewerb in der Digitalwirtschaft verhindern.
Unklar bleibt zudem, was ein Anspruch auf Datenherausgabe genau umfassen soll: Meint der Gesetzgeber die Herausgabe von Rohdaten oder aufbereiteten Daten? Muss die Herausgabe einmal erfolgen oder kann auch ein kontinuierlicher Datenzugang ausgesprochen werden?
Es bleibt daher zu hoffen, dass das Bundeskartellamt die grundsätzlich richtigen Ansätze mit Leben füllen wird. Flankierend sollte die Diskussion um verpflichtende Datenzugänge ohne lange Verfahren weiter fortgesetzt werden.
Tim Geier
Geschäftsführer Büro Brüssel
DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV e.V.
www.mittelstandsverbund.de
Quelle: DENTAGEN INFO 2020/01