
Als Feind der Produktivität wird allgemein die Prokrastination angesehen. Wer jedoch klug auf Zeit spielt, kann oft kreativer, fokussierter und zum Teil sogar schneller das (Arbeits-) Ziel erreichen. Wer also Aufgaben und Projekte nicht ständig vor sich her schiebt, sondern den Beginn nur bewusst ein wenig verlagert, kann sogar effektiver arbeiten, meint eine Expertin.
Gerade in unserem Kulturkreis gilt Prokrastination – also das bewusste Aufschieben von Dingen – oft als Anzeichen für mangelnde Selbstdisziplin oder Faulheit. Wer jedoch z.B. eine Aufgabe im Job nicht sofort angeht, kann vom Aufschieben sogar profitieren – vorausgesetzt, es passiert bewusst und kontrolliert. «Konstruktives Prokrastinieren» nennt das die promovierte Soziologin Tracy Browers, die mehrere Bücher zum Thema Arbeits- und Lebenszufriedenheit verfasst und im US-Businessmagazin «Fast Company» erklärt, wozu Aufschieben gut sein kann:
1. Zeit zum Denken nehmen
Wenn man nicht sofort anfängt, kann man das Problem von mehreren Seiten betrachten, Lösungen prüfen und vorab überlegen, wie die Ergebnisse aussehen und präsentiert werden sollten. Diese Ideen sollte man weiter schärfen – und dann mit der eigentlichen Aufgabe beginnen, rät Browers.
2. Kleinkram erledigen
Erst mal was anderes machen – natürlich nicht am Handy scrollen oder Serien gucken: Wer aufschiebt und kleinere Aufgaben erledigt – etwa einen kurzen Anruf oder eine schnelle Mail bzw. andere Alltags-Routinen, prokrastiniert sinnvoll, denn das schafft mentale Klarheit für das eigentlich Wichtige.
3. Positive Dringlichkeit erzeugen
Ein gewisses Gefühl von Zeitdruck kann helfen, sich zu fokussieren und effizient zu arbeiten. Arbeiten, die wir als «wichtig und dringend» ansehen, motivieren besonders stark. So sorgt der durch das Prokrastinieren erzeugte «positive Druck» dafür, dass wir Dinge geregelt bekommen.
4. Input holen
Das langsamere Herangehen an die Aufgabe kann auch bedeuten, dass zunächst mehr Informationen gesammelt und/oder oder Experten zu befragt werden können. «Nehmen Sie sich Zeit zum Recherchieren, Lernen und erweitern Sie Ihren Blickwinkel», rät Browers – denn das kann die Ergebnisse eigentlich nur verbessern.
5. Raum für Inspiration schaffen
Wenn der Funke für das vor einem liegende Projekt einfach nicht überspringen will, hilft es häufig, wenn man eine Weile Abstand davon nimmt, um sich anderweitig inspirieren zu lassen. Beispiele für inspirierende Tätigkeiten sind zum Beispiel das Hören von Musik oder das Spielen mit den Kindern. Ein Gang an die frische Luft kann Wunder wirken. Browers verweist auf eine Studie, der zufolge sich ein Spaziergang sowohl auf die Anzahl als auch die Originalität von Ideen auswirken kann.
Das klingt gut. Jedoch darf man bei allem, was fürs Aufschieben spricht, nicht vergessen: Erledigt werden muss die Aufgabe immer noch.
Quelle: dpa